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Militarisierung der US-Polizei: Eine Geschichte in 4 Schießereien

Posted: Januar 30th, 2022 | Author: | Filed under: Essay, Geschichte | Tags: , , , , , , , , , , , , , , | No Comments »

Lesezeit: ~15 Minuten

CN: Waffen, Schießerei, Polizeigewalt, Mord, Drogen, Schussverletzungen

„Politische Macht entfaltet sich aus dem Gewehrlauf“, verlautete Mao Zedong 1927 zu Beginn des Chinesischen Bürgerkrieges, den die revolutionäre Kommunistische Partei Chinas 22 Jahre später gewinnen sollte. Bis heute nutzen antikapitalistische Revolutionäre weltweit Schusswaffen als Werkzeug, um ihre politischen Analysen in die Praxis umzusetzen. Parallel dazu überrascht es nicht, dass im Rahmen des scheinbaren Siegeszuges des Neoliberalismus die imperialistische Reaktion in Form von Polizei ihre politische Macht durch massive militärische Aufrüstung festigt. Mit der verfassungsmäßig zugesicherten unbegrenzten Bewaffnung der US-Bevölkerung bieten die USA ein zugespitztes Beispiel dieser Militarisierung der Unterdrückungsorgane, jedoch lassen sich auch Trends der Militarisierung bei anderen Polizeien ohne bewaffnete Zivilbevölkerung, wie in Deutschland beobachten, wo immer mehr Länderpolizeien hochmoderne gepanzerte Fahrzeuge und Granatwerfer anschaffen. In diesem Essay möchte ich die Militarisierung der US-Polizei am Beispiel von 4 Schießereien vor, während und nach der Etablierung des Neoliberalismus, und ihre Konsequenzen untersuchen.

Kleine Waffenkunde

In Europa, wo der Zugang zu Schusswaffen für Privatpersonen massiv beschränkt ist und staatskonformer „Pazifismus“ (= Wehrlosigkeit) als Tugend angesehen wird, ist uns die Auseinandersetzung mit Schusswaffen extrem unangenehm. Oft wird von Reaktionären, die Waffenbesitz verteidigen, das Schießen als Hobby und Sport dargestellt, doch Schrecken wir verständlicherweise vor dem objektiv einzigen Zweck von Waffen zurück: Dem Töten. Die Gewaltfrage würde den Rahmen dieses Artikels sprengen, doch ein Grundverständnis für den Nutzen und die Verwendung von Waffen ist für das Verständnis der Militarisierung der US-Polizei essentiell.

Eine Schusswaffe ist im Prinzip nur ein Rohr, durch das mit einer mechanisch ausgelösten Explosion ein Projektil in eine mehr oder weniger gezielte Richtung geschleudert wird. Welche Projektile verfeuert werden und wie die Explosion ausgelöst wird, hat sich im Verlauf der Geschichte, vor allem aber in den letzten 150 Jahren, massiv verändert. Musste während napoleonischer Kriegsführung noch jeder Schuss langwierig und manuell nachgeladen werden, verfeuern moderne Schusswaffen durch extrem komplexe und präzise Mechanik hunderte bis tausende Kugeln pro Minute, solang der Munitionsvorrat ausreicht. Die heutige Limitierung der Feuergeschwindigkeit ist nicht mehr Design und Mechanik, sondern dass die Hitze tausender Explosionen pro Minute den Lauf herkömmlicher Schusswaffen aus Metall zum Schmelzen bringt.

Die ersten Schusswaffen der Geschichte waren explizit militärische Tötungswerkzeuge zur Demoralisierung des Feindes durch Lärm und Hilflosigkeit gegen praktisch unsichtbare, tödliche Geschosse. Militärisch hatten sie jedoch zweifelhaften Nutzen und haben noch hunderte Jahre den Einsatz von Hieb- und Stichwaffen nicht komplett abgelöst. Dadurch, dass diese Waffen extrem unhandlich und ungenau waren, konnten sie keine effektive Feuerkraft entfalten. Feuerkraft ist eine Summe aus der Feuerrate, Reichweite, Durchschlagskraft und Genauigkeit einer Waffe.

Unterschiedliche moderne Schusswaffen erfüllen je nach Modell und Bauart unterschiedliche Zwecke und legen Priorität auf unterschiedliche Aspekte der Feuerkraft. Scharfschützengewehre beispielsweise setzen auf maximale Reichweite und Genauigkeit, während sie Feuerrate vernachlässigen, Pistolen dagegen opfern Reichweite und Durchschlagskraft für kurze aber hohe Feuerrate und einfache Bedienung. Maschinengewehre opfern Genauigkeit für die höchstmögliche Feuerrate. Die Schusswaffe selbst ist dabei jedoch nur ein Werkzeug zum Verfeuern der Munition. Die Charakteristik der Feuerkraft wird meistens primär durch die verwendete Munition bestimmt. Generell lassen sich Schusswaffen und ihre Munition dabei in zivile und militärische Rollen einteilen und können in den seltensten Fällen beide erfüllen. Ebenfalls sind zivile Waffen aufgrund einfacherer Mechanik oft „halbautomatisch“, das heißt sie feuern eine Kugel pro ziehen des Abzugs, im Gegensatz zu automatischem Feuer, wo Kugeln durch komplexe mechanische Feder- und Gasdrucksysteme automatisch nachgeladen und sofort wieder verfeuert werden, solang der Abzug gedrückt ist. Militärische Waffen können in der Regel mit einem Schalter zwischen automatischem und halbautomatischem Feuer wählen.

Zivile Waffen sind primär zur Selbstverteidigung oder Jagd, seltener auch für Schießsport gedacht. Sie nehmen häufig die Form von Revolvern, Pistolen und (Schrot-)Flinten an, welche in der Regel dazu gedacht sind auf relativ kurze Distanzen in kurzem Einsatz ein ausgewähltes Ziel auszuschalten. Dabei haben sie oft geringe Reichweite, Durchschlagskraft und mitunter eine niedrigere Feuerrate, was sie unvorteilhaft für Situationen macht, wo das Ziel zurückschießt. Natürlich möchte kein Mensch gerne angeschossen werden, doch anders als von Medien dargestellt sind einzelne Schüsse durch zivile Waffen relativ überlebbar (sogar mit einigen anekdotischen Beispielen für überlebte Kopftreffer), da zivile Munition durch weniger Schießpulver oft wesentlich langsamer fliegt als militärische (daher auch die geringere Reichweite). Zusammenfassend liegt der Fokus ziviler Schusswaffen also auf einfacher Bedienbarkeit und Verfügbarkeit für zivile Nutzung.

Da bei der Verwendung militärischer Waffen erwartet wird, dass die Gegenseite zurückfeuert, ist die oberste Priorität die andauernde Entfaltung maximaler Feuerkraft. Militärische Sturm- und Maschinengewehre sollen schwere Munition so schnell wie möglich auf relativ große Distanz verfeuern, wobei bei den Distanzen militärischer Schießereien die Zielgenauigkeit eines individuellen Soldaten sekundär ist. Als Faustregel gewinnt eine militärische Schießerei die Seite, welche ausdauernder mehr Munition in die grobe Richtung des Gegners feuern kann. Es wird davon ausgegangen, dass bei genug Bleidichte in der Luft genügend Feinde getötet, verwundet, demoralisiert und am Zurückfeuern gehindert werden können, ohne bewusst und gezielt auf Individuen zu feuern. Tatsächlich zeigen Erfahrungen aus den Weltkriegen, dass die meisten Soldaten ohne massive, andauernde Manipulation im Training (wie sie heute stattfindet) zu gehemmt waren, gezielt auf einzelne Feinde zu schießen. Militärische Waffen können also kaum zivile, gezielte Verwendungszwecke wie Selbstverteidigung erfüllen, wie man sie bei der Polizei erwarten würde. Trotzdem ist heutzutage beinahe jeder Streifenwagen der US-Polizei mit einem Sturmgewehr ausgerüstet und jeder Bulle in ihrer Verwendung trainiert.

Newhall Schießerei 1970

Diese Schießerei ereignete sich im kalifornischen Valencia, als zwei Bankräuber von einer Streife der California Highway Patrol gestellt wurden. Es kam zum Schusswechsel, bei dem die beiden Polizisten der Streife getötet wurden, zwei weitere eintreffende Bullen starben ebenfalls, ein sich auf Seite der Polizei einmischender Zivilist überlebte, konnte jedoch die Bankräuber nicht ausschalten, bevor ihm die Munition ausging. Beide Täter konnten vorrrübergehend flüchten.

Beide Seiten in dieser Schießerei waren mit zivilen Waffen, primär Revolvern und Pistolen, die Polizei jedoch auch mit Schrotflinten ausgerüstet. Die Bullen waren im Schusswechsel unterlegen, da sie bei ihren Revolvern jede Kugel einzeln nachladen mussten und in der Bedienung ihrer Schrotflinten ungeübt waren. Die Räuber dagegen hatten ihr Auto voll mit Waffen, weshalb sie statt nachzuladen einfach nach neuen, feuerbereiten Waffen greifen konnten. Dadurch war es ihnen möglich, eine viel höhere Feuerkraft als die Bullen zu entwickeln und die Schießerei zu gewinnen.

In Reaktion auf diese Erfahrung begann die US-Polizei, als Ergänzung zu ihren zivilen Revolvern sogenannte „Speedloader“ einzusetzen, welche das Nachladen mehrerer Revolverkugeln auf einmal ermöglichen, um in Zukunft höhere Feuerkraft zu entfalten. In Kombination mit dem Aufstand in Los Angeles 5 Jahre zuvor, der ständigen Bedrohung durch bewaffnete Aufstände der unterdrückten Schwarzen Bevölkerung und ähnlicher Erfahrungen, in denen militärisch bewaffnete Zivilisten der Polizei überlegen waren, wurde in den Jahren vor 1970 auch das sogenannte SWAT (vergleichbar mit deutschem SEK) gegründet, eine Polizei-Eliteeinheit mit militärischer Ausrüstung und Ausbildung, das jedoch nur auf Abruf und punktuell eingesetzt werden konnte.

Miami-Dade Schießerei 1986

Die Schießerei zwischen mehreren FBI-Agenten und zwei Bankräubern wird bis heute von US-Polizeieinheiten studiert, um einen ähnlichen Ausgang in Zukunft zu vermeiden: Zwar starben beide Räuber, doch beinahe keiner der involvierten Bullen blieb unverletzt und auch zwei von ihnen starben. Die 8 FBI-Agenten waren hauptsächlich mit Revolvern und 2 Schrotflinten bewaffnet, die Räuber mit einer Schrotflinte und einem halbautomatischem Gewehr, wie es 20 Jahre vorher vom US-Militär in Vietnam eingesetzt wurde.

Das FBI hatte die beiden Räuber bereits länger verfolgt und stellte sie schließlich nach einer provozierten Massenkarambolage auf einem Parkplatz. Sofort begannen die Kriminellen aus ihrem Autowrack heraus auf die FBI-Agenten zu feuern, welche durch die Kollision desorientiert und in ihren verkeilten Fahrzeugen gefangen waren. Ein Agent hatte sogar durch den Unfall seine einzige Schusswaffe verloren und konnte an der weiteren Schießerei nicht teilnehmen. Weitere Bullen konnten innerhalb kürzester Zeit aufgrund von Schussverletzungen nicht mehr effektiv auf die Räuber feuern. Aufgrund seiner Verletzungen musste ein Agent seine Schrotflinte mit einer Hand feuern und nachladen, was zwecklos war. Einer der Räuber wurde relativ schnell im Kugelhagel getötet, doch der zweite Räuber konnte trotz zahlreicher Treffer durch die schwachen, zivilen Revolver des FBI effektiv mit seinem militärischen Gewehr weiterfeuern. Zwar wurden ihm definitiv unüberlebbare Verletzungen zugefügt, jedoch keine, die ihn sofort am weiterschießen hinderten. Die Schießerei endete erst, als ein bereits schwer verletzter FBI-Agent den letzten Räuber erschießen konnte, während dieser versuchte ein Auto des FBI zu starten. Die Schießerei dauerte etwa 5 Minuten, in denen beide Seiten zusammen etwa 145 Schüsse abgaben.

Wieder einmal konnten Bankräuber mehr Feuerkraft als Bullen einer US-Behörde entfalten. Obwohl die Kriminellen nicht auf Drogen waren, konnte einer von ihnen 12 zivile Revolverkugeln überleben und bis zum letzten tödlichen Treffer weiterfeuern. Das FBI schlussfolgerte also, dass ihre Agenten zu leicht bewaffnet waren und ersetzte die alten Revolver durch modernere Pistolen mit schwerer Munition. Einige an der Aktion beteiligte Agenten in der Gegend waren mit militärischen Waffen ausgerüstet, konnten jedoch den Schauplatz der Schießerei nicht rechtzeitig erreichen. Ebenfalls waren nur 2 der 8 Agenten am Schauplatz mit kugelsicheren Westen ausgerüstet, jedoch konnten diese nur Pistolenkugeln stoppen, keine schnellere militärische Gewehrmunition. Die Konsequenz für das FBI lautete also schwerere und modernere Bewaffnung für mehr Bullen, um auch auf militärisch ausgerüstete Kriminelle vorbereitet zu sein.

North Hollywood Schießerei 1997

Mit mehreren schweren, militärischen Waffen betraten zwei Bankräuber in selbstgebauter Ganzkörperpanzerung die Bank of America und wurden dabei von zwei Polizisten gesichtet. Während die Räuber die Bank leerräumten, wurde das Gebäude bereits von einer Vielzahl Polizisten umstellt. Als die Täter versuchten zu flüchten, kam es zum Schusswechsel, bei dem die Polizei hilflos unterlegen war. Die Täter hatten scheinbar unendlich Munition und feuerten fast eine Stunde durchgängig. Die Polizei konnte unter dem ständigen Kugelhagel kaum gezielt zurückfeuern und die Treffer die sie erzielen konnten, prallten an der Rüstung der Räuber ab. Es wurden sogar die Waffen der Täter von Kugeln getroffen und zerstört, nur damit sie ein neues schnellfeuerndes, militärisches Gewehr aus dem Kofferraum ihres Fluchtwagens holten. Selbst das später eintreffende SWAT, ebenfalls bewaffnet mit militärischen Sturmgewehren, hatte Schwierigkeiten die schwer gepanzerten Räuber auszuschalten. Erst nach beinahe einer Stunde und einigen Glückstreffern durch Lücken ihrer Panzerungen beging ein Täter Suizid, der zweite ergab sich und wurde verhaftet, bevor die Polizei ihn in Handschellen auf der Straße 70 Minuten lang ohne medizinische Hilfe verbluten ließ. Auf Seiten der Polizei gab es zahlreiche Verletzte, jedoch keine Toten.

Beinahe die komplette Schießerei wurde von Helikoptern aus für die Öffentlichkeit live übertragen und verschaffte sich so einen Platz im kollektiven Gedächtnis der USA. Zwar war dies nicht die erste Schießerei, bei der die Polizei in Feuerkraft unterlegen war, doch die breite Aufmerksamkeit für diesen Fall und die wahrgenommene öffentliche Blamage für das Los Angeles Police Department sorgte für eine noch schnellere und massivere Erweiterung der militärischen Ausrüstung als die vorher behandelten Schießereien. Sowohl SWAT- als auch reguläre Polizeieinheiten in Los Angeles wurden nach dieser Schießerei innerhalb weniger Monate mit M16-Sturmgewehren des US-Militärs ausgestattet und Polizeiautos gepanzert. Heute ist beinahe jeder US-Polizist im Umgang mit militärischen Waffen trainiert. Viele Bullen sind Exmilitärs mit Kriegserfahrung, die in ihren Heimatstädten die selben Waffen wie im Kriegsgebiet tragen.

North Hollywood Schießerei 2021

Erst vor einem Monat, Ende Dezember 2021, erhielt das Los Angeles Police Department einen Notruf aufgrund eines aggressiven Kunden in einem Bekleidungsgeschäft. Als die Polizei eintraf, fand sie einen Mann mit einem Objekt in der Hand vor. Ein Bulle feuerte sofort mehrere Kugeln mit seinem militärischen Sturmgewehr auf den Täter. Die schnellfliegenden militärischen Geschosse durchsiebten den Täter und hatten immer noch genug Kraft, durch eine Wand hindurch ein 14-jähriges Mädchen durch einen Kopfschuss zu töten. Der Verdächtige starb ebenfalls. In seiner Hand hielt er ein Fahrradschloss.

Die Militarisierung und ihre Konsequenzen

Die US-Polizei hatte über 30 Jahre militärisch aufgerüstet, da sie sich mit zivilen Waffen nicht im Stande sah, schwer bewaffnete Bankräuber zu stellen und das Kapital der Banken zu schützen. 30 Jahre später werden diese militärischen Waffen benutzt, um auf Männer in psychiatrischen Krisen mit Fahrradschlössern zu schießen. Nicht nur ist Schusswaffengebrauch für Bullen in den USA so normalisiert, dass sie stets das erste Mittel ist, auch bei der Wahl der Waffe wird nicht abgewogen. Wären die ohnehin sinnlosen und verbrecherischen Schüsse wenigstens mit der Dienstpistole am Gürtel des Bullen statt mit seiner Kriegswaffe abgegeben worden, wäre die Gefahr eines Durchschlags und die Tötung Unbeteiligter minimiert gewesen.

Die Militarisierung der Polizei ist unmenschlich und teuer, sowohl finanziell als auch moralisch. Die selbe Maßlosigkeit, die Bullen Kriegswaffen gibt, lässt Bullen diese Kriegswaffen, eingeführt für Schusswechsel mit schwer bewaffneten Kriminellen, auch gegen unbewaffnete Zivilist*innen richten. Das US-Militär wurde zum Schutz von Kapital militarisiert, nicht zum Schutz der Bevölkerung. All die toten Bullen der hier geschilderten Schießereien sind für den Erhalt von imaginären Eigentumskonzepten gestorben und konstruieren sich daraus ein Martyrium, das ihre Verbrechen relativiert und rechtfertigt. Für das Kapital und die Imperialistische Gesellschaft ist jedoch klar: Die Polizei zu einem maßlosen Militär umzuformen, das seine angebliche Aufgabe des Bevölkerungsschutzes nicht einmal mehr erfüllen kann, ist kosteneffektiver, als das Ausrauben von Banken zu erlauben.

Die Bewaffnung und Panzerung des Los Angeles Police Departments nach der Schießerei 1997 hat unweigerlich ein Vielfaches der 300.000$ gekostet, welche die Täter kurzzeitig erbeutet hatten. Nicht nur war die Militarisierung der Polizei eine scheinbare Notwendigkeit, um mit schwer bewaffneten Tätern und kaum existenten Waffengesetzen konkurrieren zu können, auch ist eine militarisierte Polizei für den Erhalt der gesellschaftlichen Ordnung und Abschreckung notwendig. Der Neoliberalismus lebt vom Glauben, dass es keine Alternative zu kapitalistischen Strukturen gibt und ein Auflehnen dagegen zwecklos sei, da in den USA für jeden Menschen auf der Welt mehr als eine Kugel Munition pro Jahr hergestellt wird. Ein paar Bullen in Schießereien mit Bankräubern zu opfern, ist ein geringer Preis für die Legitimation eines Polizeistaates.

Als Land, dessen Kultur sich leider durch Imperialismus über die ganze Welt verbreitet, bleiben diese Entwicklungen nicht in den USA. Selbst in Deutschland, wo Waffengesetze strikt sind und die wenigen Schießereien, die passieren, beinahe ausschließlich mit zivilen Waffen geführt werden, besitzen alle Länderpolizeien militärisches Kriegsgerät von Sturmgewehren bis Granatwerfern. Hier dient nicht die Sorge vor Bankräubern, sondern die ständige Angst vor Terrorismus als Vorwand für den ständigen Unterhalt eines Militärs auf unseren Straßen. Schusswaffengebrauch der deutschen Polizei ist vergleichsweise selten, doch die Kommunikationsstrategie deutscher Bullen ist die selbe wie in den USA: Wenn wir wollen, haben wir die Mittel euch alle zu töten.

Keine Chance gegen Bullen?

Im Kapital sind Bullen ein essentielles Mittel zur Einschüchterung und Kontrolle der Bevölkerung, und umso besser ausgerüstet sie sind, umso besser. In einer direkten Konfrontation sind wir gegen sie tatsächlich hilflos, doch sie haben die selbe Schwachstelle wie das ganze System: Ihr Wachstum und ihre Militarisierung ist langfristig unerhaltbar. Bullen müssen bezahlt werden, Ausrüstung muss bezahlt werden, und diese Kosten stehen niemals in Relation zu den Kosten der Gegenbewegung. Die beiden gepanzerten Bankräuber 1997 haben den US-amerikanischen Staat unendlich mehr gekostet, als sie in ihren Banküberfall investiert haben, von angerichteten Schäden über Kosten des Polizeieinsatzes bis hin zu den folgenden Aufrüstungen.

Selbst mit kleinen, gewaltlosen Aktionen, bei denen niemand stirbt, muss der Staat enorme Ressourcen an Repression auffahren. Diese unverhältnismäßige Repression soll vor weiteren Aktionen abschrecken und sie zwecklos erscheinen lassen. In der Theorie lohnt sich also ein vollkommen überzogener Polizeieinsatz, wenn er dafür 10 zukünftige Polizeieinsätze durch Abschreckung verhindert. Werden Aktionen jedoch trotz Repression weiterhin gemacht, kann der Staat es sich auf Dauer nicht leisten, jedes Mal die Maschinengewehr-Avengers zu schicken, langfristig nimmt die Repression also ab. Mit der selben Theorie besiegen Guerillia-Armeen massiv überlegene Truppen, doch auch ohne Krieg und Tod lässt sich dieses Konzept auf revolutionäre Praxis übertragen. Die US-Armee ist aus Vietnam abgezogen nicht weil es die moralisch richtige Entscheidung war oder sie zu viele Verluste hatten, sondern weil die Besatzung zu teuer für ihren Nutzen wurde.

Wir besiegen militarisierte Bullen also nicht unbedingt, indem wir uns schwerer als sie bewaffnen und in militärische Konfrontation gehen, sondern indem wir ihnen den Geldhahn abdrehen und das komplette System zum Stillstand bringen, das sie stützt. Selbst der überzeugteste Bulle wird irgendwann sein Sturmgewehr niederlegen, wenn er nicht mehr bezahlt wird und keine Munition mehr bekommt. So sehr sie uns auch als gedrillte Roboter erscheinen, leben Bullen immer noch wie wir alle in einer Gesellschaft, und diese Gesellschaft hat kollektiv die Kraft, Machtstrukturen umzugestalten. Mit ihrer Militarisierung, Gewalt und Unmenschlichkeit liegt die Entscheidung jedoch bei Bullen und Staat, ob diese Umgestaltung gemeinschaftlich und liebevoll ablaufen kann, oder ob die Schusswaffe das Hauptwerkzeug der Revolution werden muss.


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