„Das rote Buch war nur Maos Tweetsammlung“ – @garamsalami

Uffenheim McDonalds Time

Posted: September 18th, 2023 | Author: | Filed under: Prosa | No Comments »

Noch zwei Stunden. Ich ging kacken, dann rasieren, um direkt danach zu duschen. Warmes Wasser, eingeseift mit 3-in-1-Duschgel, dessen Tenside mir alle Öle und tote Hautzellen aus den Poren ballerten, ausgerieben mit Waschlappen in Achseln, Bauchnabel, Arschloch. Volles American Psycho Programm: Zahnseide, Zahnbürste, Zunge schrubben, Mundwasser, falls es zum Knutschen kommt. Das Sport-Aktiv-48-Stunden-Deodorant versiegelte mir die Schweißdrüsen. Mit dem BMW hieß es 92 Sachen auf der Landstraße zum Bahnhof, wo sie auf mich warten würde. Pünktlich 14 Uhr kam ich zum Halt auf dem leeren Parkplatz, dessen einzige Einrichtung ein McDonalds war. Noch bevor ich die Glastür öffnete, roch ich das fettige Fleisch, und trat ein. Mich grüßte das Zischen der Fritteuse, das Piepsen diversester Küchen- und Kassengeräte, ein Telefon klingelte im Hinterzimmer, irgendwo eine Fliege.

Da saß sie alleine in einer Sitzecke auf einer rot gepolsterten Bank, 67 Kilogramm, 173cm, blond, und schaute mich an.

– Hallo, wie geht es dir?
– Ganz gut und selbst?
– Auch. Gut hergefunden?
– Schon.

Für mich gab es ein 20er McNuggets mit süßsaurer Soße, sie nahm einen Salat. Von meinen Treuepunkten gab ich ihr ein McSundae mit Karamellsauce aus. Als wir fast aufgegessen hatten, fiel mir ausgerechnet mein letztes McNugget herunter und hinterließ einen orangenen Fleck von der süßsauren Soße auf meinem rosanen Polohemd.

– Was machst du so?
– Bürokaufmann, und du?
– Wow ich auch, Bürokauffrau.

Wow, eine Gemeinsamkeit. Darauf noch ein McNugget, so tief in die Soße getunkt, dass sie über meine Finger rann. Sie wollte keins, passt nicht zum McSundae. Die Panade knirschte unter meinen Zähnen, bevor die Eiweißketten des trockenen Fleisches faserig zerfetzt und mit der aprikosenbasierten Soße zu einem gleichförmigen, fettigen Brei auf meiner Zunge vermengt wurden.

– Was hast du so für Hobbies.
– Freunde treffen, Musikhören, Lesen, du?
– Bouldern, Joggen, Sport.
– Cool, bist du im Verein.
– Ja.

Die Zeit vergeht wie im Flug, wenn man sich gut unterhält. Ich aß das letzte geschmacklose McNugget, das nur Geschmacksträger für die Soße war, und hatte noch Lust auf Süßes. Das McFlurry mit Smarties, die so lustige Farbstreifen durch die weiße Creme ziehen, das ich bestellen wollte, wurde mir jedoch verwehrt, Eismaschine kaputt.

– Hast du Fight Club gesehen?
– Nee.
– Krass, müssen wir mal schauen, krasser Film.
– Ist das der mit Brad Pitt?
– Ja genau, krass dass du kennst.

Als sie ihren Salat aufgegessen hatte, nahm sie meine Hand und schaute mir tief in die Augen, wie bei Hollywood oder so, wenn Adam Sandler die Frau bekommt. Der klebrige Tisch trennte uns jedoch, unser Abstand zu groß um einen vorgebeugten Kuss nicht peinlich werden zu lassen. Nach ein paar Minuten ließ sie wieder los und pickte weiter die Hähnchenstreifen aus ihrem matschigen Salat. Mit einem McNugget im Mund beschloss ich, aufs Klo zu gehen.

– Ich würde schon sagen dass ich links bin, aber mit manchen so klassischen linken Positionen bin ich nicht einverstanden.
– Ah interessant, was wäre da so ein Beispiel?
– Ich find zum Beispiel schon, dass hinter jeder Uniform auch ein Mensch steckt, wenn man so Steine auf die Polizei wirft oder so. Find ich zu krass.
– Ist ja voll in Ordnung.

Als ich das Restaurant betrat, roch es nach fettigem, triefenden, verbrannten Fleisch. Sie saß alleine in einer Sitzecke und schaute mich an.

– Sorry, musstest du lange warten?
– So 15 Minuten, nicht so schlimm.
– Ich stand im Stau, Berufsverkehr.

Nur noch 3 McNuggets, doch ich war langsam satt. Sie aß noch eins, und zwei blieben übrig, zu wenig zum Aufheben. Als sie ihren McFlurry mit Keksstückchen aufgegessen hatte, schaute sie mich kurz intensiv mit ihren wunderschön leuchtenden, blauen Augen an, nahm meine eine Hand, legte mir ihre andere auf den Bart, und wir küssten uns zum ersten Mal. Sie schmeckte nach McNugget.

– Wie willst du später einmal unsere Kinder nennen?
– Einen Jungen? Luigi. Ein Mädchen…Nina!
– Schöne Namen.

Ich erbrach 20 McNuggets in das McDonalds-Klo, begleitet vom Rauschen des elektrischen Haartrockners, der alle Scheiß- und Pissbazillen des Raumes endlos aufwirbelte. Aus dem Beschallungssystem lief „Mein bester Kamerad“ von Sleipnir. Unser Song!

– Wenn du einmal groß bist, was willst du später werden?
– Sänger! Und du?
– Schriftstellerin.

Mit meinem Kopf in ihrem Schoß lag ich zitternd auf der roten Polsterbank, umgeben von Burgerpapieren und Pappbechern. Sie streichelte meine Haare und es schickte mir wohlige Schauer durch die ganze Kopfhaut.

– Was kann ich für Sie tun?
– Ich hätte gerne einmal 20 McNuggets
– Mhm
– Einen Ceasar’s Salad
– Sehr gerne
– Und ein McSundae
– Kommt sofort

Als ich den McDonalds betrat, roch es nach pürierten Tieren. Sie schaute mich feindselig an. Mir fiel das McSundae direkt an der Kasse herunter und ich heulte wie ein Schlosshund.

– Wo hast du gesteckt?
– Notfall in der Arbeit, tschuldigung.
– Du hättest anrufen können.
– Mh

Ich roch das verbrannte Fleisch, noch bevor ich die Glastür öffnete, drückte dagegen, doch es bewegte sich nichts. Ziehen: Ohne Erfolg. Meine Augen erspähten rot umrahmt das neudeutsche „PUSH“, also pushte ich, doch das bewegungslose Glas ratterte nur. Abgesperrt, kein hereinkommen. Durch die Scheibe sah ich sie, auf einer rot gepolsterten Sitzbank, doch sie sah nicht zu mir herüber. Ich winkte und schrie, doch sie konnte mich nicht hören. Erinnerte sie sich nicht? Von meinen Treuepunkten wollte ich ihr ein McSundae ausgeben, doch sie saß da und hatte schon eins.

– Bist du öfters hier?

Mit einer 20er-Box McNuggets saß ich in meinem Mercedes auf dem Parkplatz und hörte das Lokalradio. Ein Bahnhofs-McDonalds in Uffenheim sei über Nacht abgebrannt, sagten sie in den Nachrichten. Brandstiftung. Zum Glück war ich in einem anderen.


Comments are closed.