„Das rote Buch war nur Maos Tweetsammlung“ – @garamsalami

Atombomben auf Deutschland?

Posted: Mai 15th, 2024 | Author: | Filed under: Essay, Geschichte | Tags: , , , , , , , , | No Comments »

Lesezeit: ~10 Min

Anmerkung: Dieser Text begann vor etwa einem Jahr als Kapitel meines Buchs „Leistungsverweigerung!“, fiel dann jedoch der notwendigen Kürzung zum Opfer, ohne die ich nie zur Veröffentlichung gekommen wäre. Gerade aufgrund der hohen Relevanz dieses spezifischen Themas für mich wollte ich dazu mehr Recherchieren, Nachdenken und Sagen, als sinnvoll in den Aufbau des Buchs gepasst hätte.

Kaum eine Erfindung hat die Menschheit wohl mehr verändert als die Entdeckung der Kernspaltung 1938, kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges. Die theoretische Erkenntnis, dass die Spaltung von Atomkernen Energie freisetzt, stürzte die damaligen Großmächte in ein wissenschaftliches und industrielles Wettrennen, dafür praktische Anwendungen zu finden. Schafft man es, mit der Kernspaltung eine Kettenreaktion auszulösen, wird damit ungeahnt viel mehr Hitze frei, als durch jeden anderen uns zugänglichen Prozess. Die meiste unserer Stromerzeugung funktioniert nach dem Prinzip, Wasser unter Einsatz verschiedener Brennstoffe wie etwa Gas, Öl oder Kohle zu erhitzen. Der dadurch entstehende Dampf treibt Turbinen an, deren Bewegungsenergie in elektrische Energie umgewandelt wird, wie bei einem Generator. So war die erste logische Anwendung von Kernspaltung, radioaktive Stoffe wie etwa Uran als Brennstoff einzusetzen, was ab 1942 mit dem ersten Atomreaktor der Welt in Chicago experimentell erfolgreich umgesetzt wurde.

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Wer hat Angst vorm Schwarzen Mann?

Posted: März 17th, 2024 | Author: | Filed under: Essay, Politik | Tags: , , , , , , , , | No Comments »

Content Notes: Rassismus, Mord, Polizeigewalt, Lynching

Make sure you have a great day, be the spark, and make sure to spread kindness.”

– Ryan Gainer, 2008 – 2024

Jordan Neely wird am 18. Dezember 1992 in New York City geboren. Der zurückhaltende Schwarze Junge spielt in der High School mit Begabung Fuß- und Basketball, doch seine wahre Passion gilt dem Tanz. Bereits in seiner Jugend beginnt er, auf den Straßen der Stadt den Popstar Michael Jackson zu imitieren, wofür er lokale Bekanntheit erlangt. Als er gerade einmal 13 ist, wird seine Mutter von ihrem Partner ermordet, während Jordan im Haus ist. Dieses unvorstellbare Trauma veränderte den Jungen, der fortan an psychischen Problemen litt. Es dauert fünf Jahre, er war mittlerweile volljährig, bis es zum Prozess gegen den Mörder kam, bei dem er aussagen musste. Im Tanz versuchte er Ablenkung zu finden. Seine Präzision und Professionalität macht Eindruck auf andere Straßenperformer*innen und Tänzer*innen. Gelegentlich tritt er auch bei Veranstaltungen, z.B. Kindergeburtstagen als Michael Jackson auf. Sein weniges Geld investiert Jordan in möglichst originalgetreue Outfits seines Vorbilds, um seine öffentlichen Darbietungen noch authentischer gestalten zu können. Mit dem Aufkommen von Videostreaming und Smartphones ab 2007 schaffen es Performances von Jordan Neely auch immer wieder ins Internet, sodass seine Tanzkunst einer noch breiteren Öffentlichkeit zugänglich wird.

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Erziehungslager Jugendpsychiatrie

Posted: Dezember 10th, 2023 | Author: | Filed under: Essay, Politik | Tags: , , , , | No Comments »

Lesezeit: ~10 Minuten
Content Notes: Psychiatrie, Suizid, Zitate Verstorbener, strukturelle Gewalt, Zwangsmaßnahmen, Misshandlung

Als ich das erste Mal in die Jugendpsychiatrie kam, bin ich 16 Jahre alt. Dort war ich auf einer “geschützten Station”, im allgemeinen Sprachgebrauch auch oft “Geschlossene” genannt. Da es sich dabei um eine freiheitsentziehende Zwangsmaßnahme handelte, führte ich nach ein paar Tagen ein Gespräch mit einem Richter, eine Standardprozedur. Dieser verfasst einen regulären „richterlichen Beschluss“, der aufgrund einer „Selbst- und/oder Fremgefährdung“ meine Unterbringung in der Klinik für 6 Wochen juristisch absegnete. Am Ende sollten es nur 5 Wochen werden, doch es waren die schlimmsten meines Lebens. Es war das Jahr 2012.

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Buch schreiben Tutorial

Posted: Dezember 7th, 2023 | Author: | Filed under: Essay, Politik | Tags: , , , , | No Comments »

Lesezeit: ~6 Minuten

In einer Woche erscheint endlich mein Manifest “Leistungsverweigerung!”, an dem ich die letzten drei Jahre geschrieben habe. Viele von euch wissen schon lange, dass ich an eben einem solchen „Manifest“ schreibe und ich freue mich, dass dies alleine bei ein paar von euch bereits Interesse geweckt hat, obwohl die Zielsetzung des Buchs in meiner öffentlichen Kommunikation bisher vage blieb. Für einige Menschen, inklusive mir selbst, wird sich jedoch auch die berechtigte Frage stellen, welchen Wert dieser weitere tausender Texte darüber, dass Kapitalismus schlecht ist, für die Leser*innen haben wird. Um die Erwartungen an die bald veröffentlichten 127 Seiten realistisch zu halten, möchte ich hier vorab den Schreibprozess beleuchten, der über Jahre hinweg Zielsetzung und Umfang der „Leistungsverweigerung!“ geformt hat.

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„Wir wussten von nichts“: Deutsche Erinnerungen an Hitler und die Weiße Rose

Posted: November 21st, 2023 | Author: | Filed under: Essay, Geschichte | Tags: , , , , , | No Comments »

Lesezeit: ~7 Minuten
Content Notes: Krieg, Genozid, Holocaust, Hinrichtung

Im Januar 1939, noch vor dem Überfall auf Polen, hatte Adolf Hitler im Falle eines eventuellen „Weltkrieges“ mit dem Völkermord an europäischen Jüd*innen gedroht. Es ist fast 3 Jahre später, der 12. Dezember 1941, als er eine Lagebesprechung aller führenden NSDAP-Mitglieder einberuft, um über die Lage der Nation zu sprechen: Wenige Tage zuvor hatte die japanische Marine ohne Kriegserklärung den US-amerikanischen Militärhafen Pearl Harbor überfallen. Der zuerst europäische Konflikt war nun global. Nach der Besprechung notierte Goebbels in seinem Tagebuch: „Der Weltkrieg ist da, die Vernichtung des Judentums muß die notwendige Folge sein.“ Diesen Worten eilten längst Taten vorraus: Ende 1941 waren bereits etwa eine Million Jüd*innen in ganz Europa durch Erschießung, Hunger und Kälte ermordet worden, der Bau der ersten Vernichtungslager hatte begonnen. In den sogenannten „Hitler-Tagebüchern“ fasst der Autor die Planung der weiteren Strategie und Verbrechen an diesem Tag knapp zusammen:

Große Lagebespr.
Lage nach Japans Kriegseintritt Stützpunkt Dakar erwünscht. Transport von Kriegsschiffen ins Schwarze Meer. Breiten Raum nimmt kritische Öllage von uns ein.“

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Individualistische Unsterblichkeit

Posted: Oktober 22nd, 2023 | Author: | Filed under: Essay, Politik | Tags: , , , , , , | No Comments »

Lesezeit: ~6 Minuten
Content Notes: Tod, strukturelle Gewalt, Drogen, Krieg, Wohnungslosigkeit, psychische Krankheiten

One thing about me: Mein Leben ist fucked. Hätte ich nicht zu jeder Zeit gekämpft wie ein Löwe, wäre ich tot. Gewalterfahrungen, Armut, psychische Krankheiten, Wohnungslosigkeit sind Lebensrealitäten, die eine Gesellschaft mir aufgebürdet hat, für die ich nichts wert bin, weil ich als Erwachsener mehr Zeit in Psychiatrien als im Büro verbracht habe. Erfrierende wohnungslose Menschen, Drogentote, Kriegsopfer, durch die Polizei Ermordete sind direkte Konsequenzen eines Systems, das uns nach unserer Leistung einen Lebenswert zuschreibt und ausselektiert. Der unnatürliche Tod ist eine nicht zu leugnende Realität des Kapitalismus. Ich spüre ihn in jeder Zelle meines Körpers, schmecke ihn in dem Essen, das ich mir kaum leisten kann, lese ihn in dem Inkassobrief, dessen Absender in Indonesien sitzt. Jeden Tag wenn wir in die Nachrichten schauen, sehen wir Tote, echte Menschen, für die es niemals ein Happy End geben wird. Die Allgegenwertigkeit des Sterbens ist so offensichtlich und doch versuchen meine Psychiaterin, mein Betreuer, meine Therapeutin, Gott küsse ihre Augen, mir verzweifelt zu vermitteln, dass alles gut wird, ich die Tötungsmaschine des Kapitalismus überwinden könne, wenn ich nur eine Heilung, das Leben, zulassen würde.

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Die Internationale Automobil-Ausstellung und ihre Konsequenzen

Posted: September 3rd, 2023 | Author: | Filed under: Essay, Politik | Tags: , , , , , | No Comments »

Lesezeit: ~8 Minuten

Die Internationale Automobil-Ausstellung IAA erwürgt zum zweiten Mal mit ihrem Aufbau und Stattfinden die Stadt München, deren schönsten öffentlichen Orte des Fußgehens durchs stählerne Baucontainer und Lieferfahrzeuge besetzt werden, um die letzten in der größten Verkaufsfläche Deutschlands lebenden Menschen zu Gunsten der Vernetzung der Öl- und Individualverkehrslobbies zu vertreiben. In der bayrischen Landeshauptstadt stehen jahrum die Hotels leer, nur um sie zu wenigen Großevents wie dem Oktoberfest, der Baumesse BAUMA und eben der IAA mit Anzugträger*innen zu füllen, welche die Einwohnerzahl der Innenstadt für mehrere Tage vervielfachen, während die ärmsten Münchner*innen sich nicht einmal mehr die Vororte leisten können, in denen der nächste Supermarkt eine Autostunde entfernt liegt.

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Im Westen kein neuer Antikriegsfilm

Posted: Juli 19th, 2023 | Author: | Filed under: Essay, Film, Geschichte | Tags: , , , , , , , | No Comments »

Lesezeit: ~11 Minuten

Content Notes: Krieg, Gewalt

Spoilers: Im Westen Nichts Neues (2022), Im Westen Nichts Neues (1928)

Diesen Text habe ich bereits vor Monaten begonnen, als “Im Westen Nichts Neues” (2022), die dritte Verfilmung des Romans von Erich Maria Remarque, bei den Oscars mit Lobpreisungen und Auszeichnungen überschüttet wurde, als reflektiertes Antikriegswerk des ehemaligen Kriegstreibers Deutschland. In Interviews und Filmbesprechungen wurden natürlich Parallelen zum Ukrainekrieg gezogen, jedoch auch zum Erstarken des Faschismus und der Verhärtung der Fronten im öffentlichen Diskurs. Die Netflixproduktion solle in ihrer schonungslosen Brutalität den Schrecken des Krieges “erlebbar” machen und so davor mahnen, zu welchem Leid Hass und Hetze führen können. Es wurde gehofft, einen Antikriegsepos zu schaffen in einer Zeit, wo der “lange Frieden” des Nachkriegseuropas durch den russischen Angriffkrieg auf die Ukraine erschüttert wurde. Kann gerade in Zeiten der Aufrüstung und explodierender Militärbudgets “Im Westen Nichts Neues” es überhaupt leisten, den Krieg endlich ins Reich der Unvorstellbarkeit zu verbannen? Wie hat die Buchvorlage den selben Stoff behandelt, geschrieben von einem Mann, der die Schützengräben selbst erlebte? Und was ist überhaupt ein “Anti-Kriegsfilm”?

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Leben mit Covid – Eine Gesellschaft gibt auf

Posted: März 30th, 2022 | Author: | Filed under: Essay, Politik | Tags: , , , , , , , , , , , | No Comments »

Warum sind wir so cool damit, dass die deutsche Regierung bei den bisher höchsten Infektionszahlen alle Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung beendet? Und warum macht mich das so fertig?

Content Notes: Pandemie, Krankheit, Tod, Alkohol, Drogen, Einsamkeit, Selbstschädigung, intellektualisiertes Selbstmitleid
Lesezeit: ~5 Minuten

Revolutionäre Analyse und Theorie lebt von dem Verständnis, dass Menschen ihre Entscheidungen anhand ihrer materiellen Umstände statt unveränderbarer Werte und Instinkte treffen. Umstände und Werte müssen adressiert und verändert werden, um Menschen und ihre Entscheidungen zu ändern. Wie alle Menschen, die auf eine Revolution hinarbeiten, erwische ich mich immer wieder beim nihilistischen Resignieren und der Hingabe zum Glauben, dass wir alle verloren seien. Diese temporäre Selbstaufgabe meiner revolutionären Ansprüche und Ideen ist ein Spiegel der Selbstaufgabe, die ich angesichts der Pandemie gerade in der kompletten Gesellschaft beobachte: Ungeachtet unberechenbarer gesundheitlicher Folgen für sich selbst und ihr Umfeld gehen Leute bei den bisher höchsten Infektionszahlen der Pandemie als Ausgleich zur Lohnarbeit am Wochenende dicht gedrängt und schwitzend ohne Hygienemaßnahmen feiern, als würden wir uns nicht mehr mit einem hochansteckenden und potentiell tödlichen Virus mit unabsehbaren Langzeitfolgen anatmen, gegen das Menschen kaum bis keine anhaltende Immunität aufbauen. Meine sozialen Medien sind wieder gefüllt mit Werbung für Events, zu denen ich von Freund*innen eingeladen werde, welche ich eigentlich für vernünftig halte.

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Wer hat das Open World Game ermordet?

Posted: März 20th, 2022 | Author: | Filed under: Essay, Videospiele | Tags: , , , , , , , , , , , , , , , , | No Comments »

Die Etablierung von Videospielen als Massenmedium hat sich genau über meine Lebenszeit abgespielt. Waren meine Kindheitsvorstellungen von dieser Entwicklung naiv?

Lesezeit: ~10 Minuten
Content Notes: Videospielgewalt, Amoklauf
Erwähnte Medien: Grand Theft Auto-Serie, Deus Ex, System Shock, Thief, Postal 2, Watch Dogs, Cyberpunk 2077, Gone Home, Disco Elysium

Wie es dazu kommen konnte bleibt eher ein Thema für meine nächste Psychotherapie, aber als etwa 10-Jähriger spielte ich das erste Mal Grand Theft Auto San Andreas (2004) auf meiner Playstation 2 die meine Eltern mir gekauft hatten, weil sie dachten meine Videospiele machen den Familien-PC langsam. Wahrscheinlich bis heute bleibt es in reinen Spielstunden mein meistgespieltes Videospiel, das ich über die letzten 15 Jahre immer wieder und zuletzt erst vor einigen Monaten durchgespielt habe. GTA San Andreas war mein erstes Open World Game und hat meine Vorstellungen maßgeblich geformt, wie das Genre funktioniert: Ein Charakter kann uneingeschränkt eine Spielwelt erforschen und mit dieser in scheinbar unbegrenzten Wegen interagieren, worauf die Spielwelt reagiert. Auch als naives Kind habe ich bereits wahrgenommen, dass die Möglichkeiten von GTA San Andreas durch den Stand der Technik limitiert waren und das Spiel deshalb nicht in der Lage war, eine lebensechte Stadt zu simulieren. Ebenfalls kindlich naiv habe ich mir jedoch vorgestellt, wie ein GTA der Zukunft aussehen könnte: Wird jedes Gebäude betretbar sein? Wird jede Person in der Spielwelt dauerhaft existieren, einen Wohnort, einen Job und eine Routine haben? Was, wenn die Polizei nicht abstrakt um die nächste Straßenecke gespawned wird, sondern tatsächlich dauerhaft auf der Karte patrouilliert und eine tatsächliche Reaktion auf die Spielfigur mobilisieren muss? Was, wenn für jede umgefahrene Laterne eine Reparaturfirma vorbeikommen und diese reparieren muss?

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