„Das rote Buch war nur Maos Tweetsammlung“ – @garamsalami

Wer hat Angst vorm Schwarzen Mann?

Posted: März 17th, 2024 | Author: | Filed under: Essay, Politik | Tags: , , , , , , , , | No Comments »

Content Notes: Rassismus, Mord, Polizeigewalt, Lynching

Make sure you have a great day, be the spark, and make sure to spread kindness.”

– Ryan Gainer, 2008 – 2024

Jordan Neely wird am 18. Dezember 1992 in New York City geboren. Der zurückhaltende Schwarze Junge spielt in der High School mit Begabung Fuß- und Basketball, doch seine wahre Passion gilt dem Tanz. Bereits in seiner Jugend beginnt er, auf den Straßen der Stadt den Popstar Michael Jackson zu imitieren, wofür er lokale Bekanntheit erlangt. Als er gerade einmal 13 ist, wird seine Mutter von ihrem Partner ermordet, während Jordan im Haus ist. Dieses unvorstellbare Trauma veränderte den Jungen, der fortan an psychischen Problemen litt. Es dauert fünf Jahre, er war mittlerweile volljährig, bis es zum Prozess gegen den Mörder kam, bei dem er aussagen musste. Im Tanz versuchte er Ablenkung zu finden. Seine Präzision und Professionalität macht Eindruck auf andere Straßenperformer*innen und Tänzer*innen. Gelegentlich tritt er auch bei Veranstaltungen, z.B. Kindergeburtstagen als Michael Jackson auf. Sein weniges Geld investiert Jordan in möglichst originalgetreue Outfits seines Vorbilds, um seine öffentlichen Darbietungen noch authentischer gestalten zu können. Mit dem Aufkommen von Videostreaming und Smartphones ab 2007 schaffen es Performances von Jordan Neely auch immer wieder ins Internet, sodass seine Tanzkunst einer noch breiteren Öffentlichkeit zugänglich wird.

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Erziehungslager Jugendpsychiatrie

Posted: Dezember 10th, 2023 | Author: | Filed under: Essay, Politik | Tags: , , , , | No Comments »

Lesezeit: ~10 Minuten
Content Notes: Psychiatrie, Suizid, Zitate Verstorbener, strukturelle Gewalt, Zwangsmaßnahmen, Misshandlung

Als ich das erste Mal in die Jugendpsychiatrie kam, bin ich 16 Jahre alt. Dort war ich auf einer “geschützten Station”, im allgemeinen Sprachgebrauch auch oft “Geschlossene” genannt. Da es sich dabei um eine freiheitsentziehende Zwangsmaßnahme handelte, führte ich nach ein paar Tagen ein Gespräch mit einem Richter, eine Standardprozedur. Dieser verfasst einen regulären „richterlichen Beschluss“, der aufgrund einer „Selbst- und/oder Fremgefährdung“ meine Unterbringung in der Klinik für 6 Wochen juristisch absegnete. Am Ende sollten es nur 5 Wochen werden, doch es waren die schlimmsten meines Lebens. Es war das Jahr 2012.

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Buch schreiben Tutorial

Posted: Dezember 7th, 2023 | Author: | Filed under: Essay, Politik | Tags: , , , , | No Comments »

Lesezeit: ~6 Minuten

In einer Woche erscheint endlich mein Manifest “Leistungsverweigerung!”, an dem ich die letzten drei Jahre geschrieben habe. Viele von euch wissen schon lange, dass ich an eben einem solchen „Manifest“ schreibe und ich freue mich, dass dies alleine bei ein paar von euch bereits Interesse geweckt hat, obwohl die Zielsetzung des Buchs in meiner öffentlichen Kommunikation bisher vage blieb. Für einige Menschen, inklusive mir selbst, wird sich jedoch auch die berechtigte Frage stellen, welchen Wert dieser weitere tausender Texte darüber, dass Kapitalismus schlecht ist, für die Leser*innen haben wird. Um die Erwartungen an die bald veröffentlichten 127 Seiten realistisch zu halten, möchte ich hier vorab den Schreibprozess beleuchten, der über Jahre hinweg Zielsetzung und Umfang der „Leistungsverweigerung!“ geformt hat.

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Individualistische Unsterblichkeit

Posted: Oktober 22nd, 2023 | Author: | Filed under: Essay, Politik | Tags: , , , , , , | No Comments »

Lesezeit: ~6 Minuten
Content Notes: Tod, strukturelle Gewalt, Drogen, Krieg, Wohnungslosigkeit, psychische Krankheiten

One thing about me: Mein Leben ist fucked. Hätte ich nicht zu jeder Zeit gekämpft wie ein Löwe, wäre ich tot. Gewalterfahrungen, Armut, psychische Krankheiten, Wohnungslosigkeit sind Lebensrealitäten, die eine Gesellschaft mir aufgebürdet hat, für die ich nichts wert bin, weil ich als Erwachsener mehr Zeit in Psychiatrien als im Büro verbracht habe. Erfrierende wohnungslose Menschen, Drogentote, Kriegsopfer, durch die Polizei Ermordete sind direkte Konsequenzen eines Systems, das uns nach unserer Leistung einen Lebenswert zuschreibt und ausselektiert. Der unnatürliche Tod ist eine nicht zu leugnende Realität des Kapitalismus. Ich spüre ihn in jeder Zelle meines Körpers, schmecke ihn in dem Essen, das ich mir kaum leisten kann, lese ihn in dem Inkassobrief, dessen Absender in Indonesien sitzt. Jeden Tag wenn wir in die Nachrichten schauen, sehen wir Tote, echte Menschen, für die es niemals ein Happy End geben wird. Die Allgegenwertigkeit des Sterbens ist so offensichtlich und doch versuchen meine Psychiaterin, mein Betreuer, meine Therapeutin, Gott küsse ihre Augen, mir verzweifelt zu vermitteln, dass alles gut wird, ich die Tötungsmaschine des Kapitalismus überwinden könne, wenn ich nur eine Heilung, das Leben, zulassen würde.

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Die Internationale Automobil-Ausstellung und ihre Konsequenzen

Posted: September 3rd, 2023 | Author: | Filed under: Essay, Politik | Tags: , , , , , | No Comments »

Lesezeit: ~8 Minuten

Die Internationale Automobil-Ausstellung IAA erwürgt zum zweiten Mal mit ihrem Aufbau und Stattfinden die Stadt München, deren schönsten öffentlichen Orte des Fußgehens durchs stählerne Baucontainer und Lieferfahrzeuge besetzt werden, um die letzten in der größten Verkaufsfläche Deutschlands lebenden Menschen zu Gunsten der Vernetzung der Öl- und Individualverkehrslobbies zu vertreiben. In der bayrischen Landeshauptstadt stehen jahrum die Hotels leer, nur um sie zu wenigen Großevents wie dem Oktoberfest, der Baumesse BAUMA und eben der IAA mit Anzugträger*innen zu füllen, welche die Einwohnerzahl der Innenstadt für mehrere Tage vervielfachen, während die ärmsten Münchner*innen sich nicht einmal mehr die Vororte leisten können, in denen der nächste Supermarkt eine Autostunde entfernt liegt.

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Leben mit Covid – Eine Gesellschaft gibt auf

Posted: März 30th, 2022 | Author: | Filed under: Essay, Politik | Tags: , , , , , , , , , , , | No Comments »

Warum sind wir so cool damit, dass die deutsche Regierung bei den bisher höchsten Infektionszahlen alle Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung beendet? Und warum macht mich das so fertig?

Content Notes: Pandemie, Krankheit, Tod, Alkohol, Drogen, Einsamkeit, Selbstschädigung, intellektualisiertes Selbstmitleid
Lesezeit: ~5 Minuten

Revolutionäre Analyse und Theorie lebt von dem Verständnis, dass Menschen ihre Entscheidungen anhand ihrer materiellen Umstände statt unveränderbarer Werte und Instinkte treffen. Umstände und Werte müssen adressiert und verändert werden, um Menschen und ihre Entscheidungen zu ändern. Wie alle Menschen, die auf eine Revolution hinarbeiten, erwische ich mich immer wieder beim nihilistischen Resignieren und der Hingabe zum Glauben, dass wir alle verloren seien. Diese temporäre Selbstaufgabe meiner revolutionären Ansprüche und Ideen ist ein Spiegel der Selbstaufgabe, die ich angesichts der Pandemie gerade in der kompletten Gesellschaft beobachte: Ungeachtet unberechenbarer gesundheitlicher Folgen für sich selbst und ihr Umfeld gehen Leute bei den bisher höchsten Infektionszahlen der Pandemie als Ausgleich zur Lohnarbeit am Wochenende dicht gedrängt und schwitzend ohne Hygienemaßnahmen feiern, als würden wir uns nicht mehr mit einem hochansteckenden und potentiell tödlichen Virus mit unabsehbaren Langzeitfolgen anatmen, gegen das Menschen kaum bis keine anhaltende Immunität aufbauen. Meine sozialen Medien sind wieder gefüllt mit Werbung für Events, zu denen ich von Freund*innen eingeladen werde, welche ich eigentlich für vernünftig halte.

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Zerfleischt die Linke sich selbst?

Posted: Dezember 30th, 2021 | Author: | Filed under: Essay, Politik | Tags: , , , , , , , , | No Comments »

Bürgerliche und weiße Linke wiederholen ohne Ermüdung immer wieder das Argument, die Linke würde sich selbst zerfleischen, während eine fiktive rechte Einigkeit herbeifantasiert wird. Sollten wir uns also an Nazis ein Beispiel nehmen?

Lesezeit: ~6 Minuten

„Die Linke zerfleischt sich wieder mal selbst“, kommentiert Hans-Peter, 38, unter einem Tweet der Grünen und kassiert massig Likes. Es ging ums Gendern, oder um einen Rassismusvorwurf, keine Ahnung mehr. Es ist beinahe unmöglich, eine Diskussion unter Linken in Sozialen Medien zu führen, ohne dass diese Floskel der Selbstzerfleischung eingebracht wird, um zu linker Einigkeit zu mahnen und Meinungsverschiedenheiten als aktive Bedrohung für Antifaschismus darzustellen. Zwar sind Diskurse in Sozialen Medien verschwendete Lebenszeit, doch trotzdem bin ich ein Verfechter davon, sie zu analysieren, da sie trotz allem ein Ausdruck der Gesellschaft sind, in der sie geführt werden. Ich werde also nicht versuchen, Propheten der Selbstzerfleischung von ihrem Fehlglauben zu überzeugen, sondern das Gelaber von „linker Selbstzerfleischung“ als Symptom ihrer ideologischen Unzuverlässigkeit zu enttarnen. Die Linke zerfleischt sich nicht selbst, ihr seid nur nicht so links wie ihr denkt.

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Das Trolley-Problem: Eine antiimperialistische Kritik (unironisch)

Posted: November 9th, 2021 | Author: | Filed under: Essay, Politik | Tags: , , , , , , | No Comments »

Nur eine im Kern imperialistische Gesellschaft kann sich das Trolley-Problem überhaupt ausgedacht haben. Jede westliche Ethik rechtfertigt imperialistische Menschheitsverbrechen.

Lesezeit: 5 Minuten

Das Trolley-Problem ist eine Serie von ethischen Dilemmas aus den 60ern (und in unserer Zeit ein Meme), die moralische Entscheidungsfindung untersuchen sollen.

Eine Straßenbahn ist außer Kontrolle geraten und droht, fünf Personen zu überrollen. Durch Umstellen einer Weiche kann die Straßenbahn auf ein anderes Gleis umgeleitet werden. Unglücklicherweise befindet sich dort eine weitere Person. Darf (durch Umlegen der Weiche) der Tod einer Person in Kauf genommen werden, um das Leben von fünf Personen zu retten?

-Phillipa Foot, 1967

In Variationen sind die Menschen festgebunden, um Fragen zum Warnen oder Ausweichen der Menschen auf dem Gleis überflüssig zu machen, oder statt des Umlegens eines Hebels soll ein “fetter Mann” auf das Gleis geschubst werden, um die Straßenbahn zu stoppen. Das Trolley-Problem in seiner heutigen Form wurde zuerst 1967 von Phillipa Foot beschrieben, einer Begründerin der modernen Tugendethik, die sich auf Aristoteles beruft, die möglichen Antworten auf das Dilemma beziehen sich jedoch oft auf Ethik, die lange vor 1967 ausgearbeitet wurde.

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Kellogg’s-Gate: Die CIA lehnt sich zurück

Posted: Oktober 9th, 2021 | Author: | Filed under: Essay, Politik | Tags: , , , , , , , , , | No Comments »

US-Angestellte des Cerealien-Giganten Kellogg’s streiken. Mehrere wortgleiche Tweets, die einen solidarischen Boykottaufruf für ableistisch erklären, spalten wieder mal die US-Linke in einem epischen Shitstorm. Die CIA lehnt sich tatenlos zurück.

Lesezeit: ~7 Minuten

Content Notes: Ableismus

hi, someone with heavy food sensory issues here! frosted mini-wheats are one of the only things I can actually consume regularly and not get sick from. guilting people who can’t support boycotts is ableist as fuck but y’all aren’t ready for that conversation.

Am Mittwoch, dem 06. Oktober 2021, ruft ein Twitteraccount zu einem solidarischen Boykott mit den Streikenden Kellogg’s Angestellten auf. Wenige Stunden später gehen mehrere identische Tweets von verschiedenen Accounts viral, die den Druck zur Teilnahme an einem Boykott für ableistisch erklären, da Menschen mit sensorischen Verarbeitungsschwierigkeiten auf spezifische Nahrungsmittel, in diesem Fall Kellogg’s Frostys, angewiesen sein können. Es ist umstritten und für mich nicht mehr nachvollziehbar, ob diese identischen Tweets einen echten Ursprungstweet parodieren, oder als gezielte Desinformationskampagne gegen den Boykott gesetzt wurden (oder beides).

Innerhalb kürzester Zeit reichten Gegenpositionen von Belustigung über übliche Verurteilung von Identitätspolitik bis hin zu konkreten Vorwürfen der Entsolidarisierung oder sogar gezieltem Streikbrechen. Für mich war dieses Thema am 6. Oktober dann bereits wieder abgehakt, bis ich 3 Tage später immer noch hitzige Debattenthreads dazu in die Timeline gespült bekommen habe, die sich in einem ewigen Zyklus aus Identitätspolitikvorwürfen und Ableismusgegenvorwürfen drehen. Meine These: Ihr habt alle Unrecht.

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[Repost 2019] Gedanken, die sich Weiße nach den Landtagswahlen nicht machen müssen

Posted: September 18th, 2021 | Author: | Filed under: Essay, Politik | Tags: , , , , , , | No Comments »

Die Bildung einer rechten Bundesregierung scheint realistischer denn je. Für BIPoC in Deutschland ist das eine existentielle Bedrohung.

Lesezeit: ~3 Minuten

Content Notes: Faschismus, Rechte Terroranschläge, Abschiebung, Völkermord

[Diesen Text habe ich 2019 nach den Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen für die Süddeutsche Zeitung geschrieben. Die zuständige Redakteurin hat sich zur Veröffentlichung mehr Offenlegung meiner individuellen Rassismuserfahrungen gewünscht, was ich als unvereinbar mit der strukturellen Kritik des Textes betrachte. Eine weitere Zusammenarbeit zwischen der Süddeutschen Zeitung und mir gab es nicht.

Während ich heute, fast exakt 2 Jahre später meinen flehenden Appell an weiße Menschen und den Mangel eines Durchschauens bürgerlicher Faschismusnähe für naiv halte, behält der Text als Dokument der emotionalen Auswirkung von Wahlergebnissen, gerade so kurz vor der Bundestagswahl 2021, seine Relevanz.]

Am 1. September 2019 fanden in Brandenburg und Sachsen, zwei Bundesländern mit einem Ruf der politisch rechten Radikalität und wirtschaftlicher Rückständigkeit, Landtagswahlen statt. Während CDU und SPD in beiden Wahlen unterschiedlich abschnitten, sind 2 Parallelen aus den Ergebnissen ersichtlich: Etwa ein Viertel der Wähler stimmte für die rechtsradikale Partei AfD, während nur knapp unter 20% für links ausgerichtete Parteien ihr Kreuz machten.
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